Biber auf dem Schloßberg

Der Turm eingestürzt, das Dach abgebrannt. Die Stadtkirche Böblingen hat im zweiten Weltkrieg großen Schaden genommen. Der Wiederaufbau gelang zügig – doch nun bröselten die Dachziegel aus den fünfziger Jahren vom Dach. Eine neue Eindeckung musste her. In Böblingen steht die denkmalgeschützte Stadtkirche auf einem Hügel. Große Mengen an Sturmklammern verhindern, dass die neue Biberschwanzeindeckung dem Windsog unhaltbar ausgesetzt sind. 

Kirche auf der Höhe

Rund 50.000 Einwohner hat die Kreisstadt in der Nähe von Stuttgart. Die evangelische Stadtkirche liegt auf einer Anhöhe und bildet den östlichen Abschluss des Marktplatzes, der noch Teile mittelalterlicher Bebauung aufweist. Die Kirche ist dem heiligen Dionysios geweiht und blickt auf eine weit zurückreichende Geschichte.

Bereits im 13. Jahrhundert wurde auf der Anhöhe, die heute noch immer Schloßberg heißt, eine Schlosskapelle erbaut. 1419 wurde diese zur Pfarrkirche erhoben und erhielt ihren heutigen Namen St. Dionysios. Über die Jahrhunderte wurde das Gebäude immer wieder verändert und vergrößert. Irgendwann hatte es seine heutige Form erreicht. Die gotisch anmutende Saalkirche mit dem asymmetrisch anliegenden Chor wird durch einen 49 Meter hohen Turm komplettiert. Zuletzt war die Kirche bei einem Bombenangriff auf die Kleinstadt im zweiten Weltkrieg zu einem erheblichen Teil zerstört worden. Der Turm war eingestürzt und das Dach abgebrannt. Nur noch die Außenmauern blieben stehen. Doch die Böblinger ließen sich nicht unterkriegen und bauten ihre Kirche zügig wieder auf. Von 1948 bis 1950 fanden die umfangreichen Sanierungsarbeiten an dem alten Gemäuer statt. Im Innenraum wurden neue Emporen gebaut und die Kirche bekam ein neues Dach aufgesetzt. 

 

Absturzgefahr gebannt

Vor einiger Zeit waren dann auch diese Strukturen in die Jahre gekommen. Da sich die fast siebzig Jahre alten Nachkriegs-Dachziegel langsam auflösten, musste eine neue Eindeckung her. „Die Nasen der alten Biberschwanz-Ziegel pulverisierten förmlich und wurden somit instabil. Die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Ziegel von der Dachfläche abrutschten, war sehr hoch. Das war natürlich zu gefährlich", berichtet der Dachdecker Dusko Prica. Doch die Sache war vertrackt. Wie sollte die neue Eindeckung aussehen? Welcher Ziegel sollte das Dach künftig zieren? Fragen, mit denen sich nicht nur der Dachdecker und die zuständigen Kirchenratsmitglieder auseinandersetzen mussten, sondern auch das Denkmalamt, denn die Stadtkirche Böblingen steht unter Denkmalschutz. 
 

Luftaufnahme Stadtkirche Böblingen
Dach Stadtkirche Böblingen

Abstimmung unter Partnern

Das erforderte dann doch einiges an Abstimmungsbedarf und so summierte sich die Vorlaufzeit schlussendlich auf zwei Jahre. Nach längerer Wartezeit, in der auch Finanzierung und Dachziegelmodell geklärt werden konnten, kam es zu einer gemeinsamen Entscheidung von Bauausschuss und Denkmalamt.  Der Vorschlag des Denkmalamts sah vor, alte und neue Ziegel gemeinsam „gemischt“ zu verlegen. So bliebe ein Teil der alten Substanz erhalten. Man einigte sich, diese Version auf einem kleinen Seitendach neben der Apsis zu testen. Doch schon bald trat ein Problem zutage: Die alten Ziegel waren dicker und breiter als der neue Creaton- Biberschwanzziegel Ambiente Segmentschnitt dunkelbraun engobiert. So blieb beim Verlegen ein Spalt, der Undichtigkeiten hervorrufen könnte. „Glücklicherweise haben wir diese Version nur auf einem kleinen Dachabschnitt von rund 35 Quadratmetern getestet. Diese Fläche wird nun noch einmal abgedeckt und ausschließlich mit neuen Ziegeln belegt. Anders kommen wir mit den Maßen leider nicht hin“, bedauert der Dachdecker. Nach diesem Versuch stand jedenfalls die Entscheidung, ausschließlich neue Ziegel zu verwenden.

Kleine Zeitreise

Mit den Arbeiten begann auch eine Zeitreise in die Vergangenheit. Die Spuren der Sanierung aus den vierziger und fünfziger Jahren konnte Dachdeckermeister Dusko Prica auch im Jahr 2019 noch finden. Ein besonders interessanter Fund waren einige geprägte Dachziegel. „Die Markierung ließ sich noch gut entziffern. Sie trugen das Datum ihrer Entstehung: der 01.09.1950“, berichtet der Dachdecker von seinem Fund. Die Zeitangabe passt auch genau zur Historie des Baus, denn das Dach kommt bekanntlich bei der Sanierung zuletzt. Und gab es noch weitere interessante Funde? „Bis auf ein paar Taubenskelette eigentlich nicht“, lacht der Dachdecker.

Im Mai 2019 machten er und sein Team sich schließlich ans Werk. Sämtliche Dachdecker- und Spenglerarbeiten haben die Handwerker in den folgenden Monaten erledigen können, bis das Dach Mitte September in neuem Glanz erstrahlte. Die Spenglerarbeiten gestalteten sich hochwertig: Wo vorher verzinkte Bleche und Rinnen verbaut waren, glänzen auf Betreiben der Kirche nun Kupferelemente.

 

Hohe Windlast

Die Arbeiten auf einem hohen Kirchendach bringen immer einige Herausforderungen mit sich. Steht die Kirche aber zusätzlich noch in exponierter Lage auf einem Hügel, ist zusätzliche Vorsicht geboten. Das galt insbesondere bei der Berechnung der Windlast und des Windsogs, dem die Dachflächen ausgesetzt sind. Die Auswertung ergab, dass jeder Ziegel einzeln mit Sturmklammern aus dem Creaton Zubehör-Sortiment gesichert werden musste, um Schäden zu vermeiden. Doch nur mit einer neuen Eindeckung war es nicht getan. Die Dachdecker bauten die Dachhaut komplett bis auf die Sparren zurück. Anschließend installierten sie eine neue Unterspannbahn, Konterlattung und Lattung. „Fünf Kilometer Lattung und 6000 bis 7000 Nägel kamen schon zusammen“, rechnet Dusko Prica vor. Anschließend deckte das Team die Dachflächen mit rund 24.000 Biberschwanzziegeln ein. Um diese auf das Dach zu transportieren, konnte Dusko Prica auf sein eigenes Gerät zurückgreifen. „Mit unserem eigenen Kran konnten wir unabhängig das Material nach oben fördern. Die enorme Höhe war also kein Problem“, berichtet der Dachdecker. Doch ganz allein macht auch ein Kran die Arbeit nicht. „An den Tagen, an denen Dachziegel auf das Dach gebracht und gesteckt werden mussten, waren wir immer mit fünf oder sechs Mitarbeitern vor Ort, an anderen Tagen je nach Arbeit auch nur zu zweit“, gibt er Auskunft.

 

Gute Werbung

Und was hat ihm dieser Herzensauftrag persönlich gebracht? „Die Stadtkirche Böblingen ist ein schönes Vorzeigeobjekt, um unsere Leistungen darzustellen“, erklärt der Dachdeckermeister, „Sie ist aber auch eine sehr gute Werbung, denn während der Arbeiten fand das Stadtfest auf dem Platz davor statt und wir hatten natürlich unsere Unternehmensplanen an die Gerüste gehängt.“  Vielleicht hat sie ja sogar jemand aus Sindelfingen gesehen und dort wartet schon das nächste Denkmalschutzobjekt auf ihn.

Steckbrief

Objekt/Standort
Stadtkirche Böblingen
D- 71032 Böblingen

Bauzeit
04/2019 – 09/2019

Architekt
Ruoff + Architekten BDA
D- 71032 Böblingen
www.ruoffarchitekten.de

Dachdeckerarbeiten
Prica Dachtechnik GmbH
D- 71032 Böblingen
www.prica-dach.de

Produkt
Biberschwanz Ambiente Segmentschnitt dunkelbraun engobiert
Sturmklammern
 

AMBIENTE Segmentschnitt