Dachsanierung auf Schloss Branitz - Anspruchsvolle Dekontamination und historischer Wiederaufbau

„Das Schlossgebäude zählt zu den wichtigsten Bestandteilen des Gesamtkomplexes Park und Schloss Branitz. Es dominiert die Gesamtanlage durch Volumen, Anordnung und Detailverliebtheit. Ein großer Teil der Parkanlage ist auf das Schloss zugeschnitten und bildet mit diesem eine Einheit“, erklärt Matthias Rindt, Architekt und Fachbereichsleiter Gebäude & Baudenkmalpflege der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz. Der Branitzer Park inmitten der 620 Hektar großen Parklandschaft gilt als Alterswerk des Gartenkünstlers, Weltreisenden und Schriftstellers Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871). Im Zentrum befindet sich das spätbarocke Schloss, eine dreizehnachsige verputzte Dreiflügelanlage mit gewalmtem Mansarddach. Das heutige Museum zeigt die Wohnwelten der Pücklers sowie eine Gemäldesammlung des in Cottbus geborenen Landschaftsmalers Carl Blechen.

 Trotz zweier Restaurierungen in den Jahren 1978 bis 1981 und 1991 bis 1999 stellten die Verantwortlichen der Stiftung erneut einen umfangreichen Sanierungsbedarf fest. Undichtigkeiten, Wasser- und Schneeeintrag im Winter oder abgelöste Dachziegel sorgten zunehmend für Schäden im Inneren des Schlosses. Die alte Dachkonstruktion hatte sich durch Windsog teilweise gehoben, die Dacheindeckung wies wieder erhebliche Schäden auf, die in den „Masterplan Branitz 2021–2028“ der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz einflossen. „Außerdem sollten die Dachziegel unbedingt wieder der historischen Ausführung entsprechen. Bei der 1995 durchgeführten Sanierung hatte man die Mansarde ausgebaut und das Dach mit roten Biberschwänzen aus einem Werk in Riesa gedeckt“, erinnert sich der Architekt. „Bei der Abnahme hatte das Denkmalamt damals jedoch festgestellt, dass das Dach ursprünglich schwarz war und die roten Dachziegel deshalb nachträglich schwarz streichen lassen.“ Im Nachhinein wurden auch archivalische Quellen gefunden, die eine schwarze Eindeckung des Schlosses nach englischen und holländischen Vorbildern und auf konkreten Wunsch des Fürsten Pückler untermauerten. Im Depot befinden sich zwei originale Dachziegel, die mit Pech bestrichen sind und wohl vom Schloss stammen.

 Im Rahmen der Entwurfsplanung für die erneute Dachsanierung wurden die Lösungsvorschläge mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Denkmalfachbehörde ausführlich diskutiert. Oberstes Ziel war die sorgfältige Reparatur des barocken Dachtragwerkes unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten, also die weitgehende Substanzerhaltung. Die Maßnahmen sollten sich auf den Dachsattel oberhalb der Mansarde beschränken.

Täglich wurden morgens vorher definierte Dachbereiche geöffnet und abends wieder verschlossen, um den Museumsbetrieb aufrechtzuerhalten

Täglich wurden morgens vorher definierte Dachbereiche geöffnet und abends wieder verschlossen, um den Museumsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Dachziegel waren mit giftigen Holzschutzmitteln belastet

„In DDR-Zeiten hatte man den kompletten Dachstuhl mit Blutox (Hylotox) gestrichen, einem hochgiftigen, DDT und Lindan enthaltenden Holzschutzmittel gestrichen. Das hochwirksame Mittel beginnt aber im Laufe der Zeit auszukristallisieren und kann bei Menschen, die mit diesen Kristallen, die sich mit den Stäuben vermengen, in Berührung kommen oder einatmen, zu schweren gesundheitlichen Schäden führen“, erklärt Matthias Rindt. Die Reduzierung der vorhandenen Holzschutzmittel-Kontaminierung der Dachstuhlbereiche erfolgte durch Absaugen belasteter Stäube an allen Hölzern und Wandflächen. „Dazu wurden Schleusen eingebaut und auch die Dachdecker mussten vor Betreten des Dachsattels entsprechende staubdichte Anzüge anziehen sowie eine FFP3 Maske aufsetzen.“ Die zu entfernenden Dachziegel konnten auch nicht einfach über eine typische Schuttrutsche in einen Container vor dem Haus abgelassen werden, sondern mussten aufgrund der Kontamination der Stäube zwischen den Ziegeln selber und den Dachlatten nur Stück für Stück entfernt werden.

 „Jeder einzelne Ziegel wurde vor Ort in einen speziellen Behälter gelegt und dort gestapelt. Anschließend wurden diese Butten heruntergefahren. Am Boden entnahmen die Mitarbeiter wieder jeder Ziegel einzeln, um ihn dann in einem Container zu stapeln“, betont der Architekt und Projektleiter. „Diese Vorgehensweise bedeutete auch einen sehr großen zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand, um die Staubbelastung der Umgebung zu minimieren, zumal auch jeden Tag der betroffene Dachbereich geöffnet und wieder verschlossen werden musste, um den laufenden Museumsbetrieb aufrechtzuerhalten, gleichzeitig aber niemanden zu gefährden und das Schloss auch gegen Witterungseinflüsse zu schützen.“

Durchgefärbter Dachziegel von Creaton erfüllt alle Anforderungen

Nach Entfernung der roten Biberschwanzziegel konnte die neue Eindeckung der gesamten Dachfläche mit einem anthrazitfarbenen Biberschwanzziegel, Typ Kera Biber, anthrazit, matt durchgefärbt und gesintert des Herstellers Creaton als Kronendeckung erfolgen. Der Dachsattel ist im oberen Bereich trocken gedeckt, d.h. die Dachziegel sind hier mit Edelstahlklammern gesichert, auch gibt es keine Unterspannbahnen, um im hier nicht genutzten Teil des Daches jederzeit Reparaturen durchführen zu können. „Der vollständig durchgefärbte Ziegel besitzt eine geringe Wasseraufnahme und lässt somit eine lange Lebensdauer erwarten. Zusätzlich wurde jeder Dachziegel auf den vorhandenen Dachlatten (4/6 cm) noch mit einer Edelstahlschraube (4,5 mm) befestigt, damit sich einzelne Biberschwänze im Laufe der Zeit nicht lösen und vom Dach rutschen können, wie es nach der letzten Sanierung häufiger der Fall war, weil die Halterung des Dachziegels abbrach“, erklärt Matthias Rindt. Im steileren Bereich der genutzten und innen mit Platten bekleideten Mansarde wurden die Dachziegel dagegen vermörtelt, um sicher gegen Wassereintritt zu schützen.

„Da es sich um ein Denkmalschutzobjekt handelte, standen wir über die gesamte Bauphase hinweg eng mit den Behörden in Kontakt“, berichtet der Dachdeckermeister Silvio Böhm von Böhm Bedachung in Cottbus, „Wir haben das gesamte Dach in Kalk-Zementmörtel eingedeckt und zusätzlich jeden einzelnen Ziegel verklammert, weil das Objekt in sehr exponierter Lage steht.“ Die Arbeiten waren zeitintensiv. „Die Ziegel in Kalk-Zement-Mörtel mit Querschlag und Fuge zu setzen, erfordert einen etwa dreimal so hohen Zeitaufwand“, führt Silvio Böhm aus. Die Wahl des Ziegels erfolgte hauptsächlich nach mechanischen und gestalterischen Anforderungen. Aufgrund der negativen Erfahrungen mit den roten bzw. gestrichenen Ziegeln, die sich im Gebrauch über die Jahre als nicht dauerhaft in Qualität und Farbgebung erwiesen, suchten Bauherr und Denkmalbehörden ein Material, dass gestalterisch den historischen Dachziegeln entsprach und durchgefärbt werden konnte. „Wichtig war, dass im Laufe der Nutzung durch Witterung beschädigte Biberschwänze nicht rot durchschimmern, sondern konsequent anthrazit wirken und so eine homogene Dachgestaltung über die gesamte Nutzungsdauer gewährleisten. Bei der Bemusterung fiel die Wahl auf die Creaton-Produkte, die sich auch durch eigene Erfahrung der Beteiligten immer als langlebig und farbbeständig erwiesen“, ergänzt Matthias Rindt. Eine Besonderheit der Dachsanierung fällt vermutlich nicht auf den ersten Blick ins Auge, „Im Zuge der Sanierung wurde auch einer der reich verzierten Schornsteine wieder ergänzt“, berichtet der Architekt Klaas Fiedler vom Architekturbüro Fiedler & Peter, das mit der Konzeption, Planung und Bauüberwachung des Projekts betraut war. „Der alte Schornstein war noch bis unter der Dachhaut intakt. Das fehlende Stück über der Dachhaut wurde aus Symmetriegründen wieder hinzugefügt“, erklärt der Planer.

▴Die anthrazitgrauen Biber wurden in Kronendeckung verlegt.

▴Die anthrazitgrauen Biber wurden in Kronendeckung verlegt.

Aufwendige Dachdeckerarbeit: Alle Mansarden, Grate und Firste des Schlossdachs wurden in Kalkmörtel verlegt, was die Arbeitszeit hier verdreifachte.

Aufwendige Dachdeckerarbeit: Alle Mansarden, Grate und Firste des Schlossdachs wurden in Kalkmörtel verlegt, was die Arbeitszeit hier verdreifachte.

In der unmittelbaren Umgebung des Schlosses befinden sich das meiste Zierrat und eine Vielzahl von Beeten mit Skulpturen, kleinen Wasserflächen und Terrassenumfassungen. „In diesem Bereich war es eine besondere Herausforderung die Baustelleneinrichtung aufzubauen und Gerüste so zu stellen, dass die Besucher während der Sanierungsarbeiten sicher in das Gebäude gelangen konnten.

Die Baustelleneinrichtung war aufgrund der  engen Wege,  der Nähe zum Wasser und des laufenden Museumsbetriebs mit Herausforderungen verbunden. 

Aufwendige Baustelleneinrichtung

In der unmittelbaren Umgebung des Schlosses befinden sich das meiste Zierrat und eine Vielzahl von Beeten mit Skulpturen, kleinen Wasserflächen und Terrassenumfassungen. „In diesem Bereich war es eine besondere Herausforderung die Baustelleneinrichtung aufzubauen und Gerüste so zu stellen, dass die Besucher während der Sanierungsarbeiten sicher in das Gebäude gelangen konnten“, betont Matthias Rindt. „Zumal die Zuwegung des Schlosses ebenfalls nicht für die Andienung mit Fahrzeugen geeignet ist. Wir haben uns schließlich auf der Nordseite des Schlosses eine Wiese gesucht, diese dann abgeschottert, ein Geotextil eingelegt und einen Bauzaun herumgestellt. Zusätzlich haben wir dann auf der Westseite noch eine schmale Baustraße zwischen Schloss und See geschaffen, neben der wir dann auch den benötigten Kran aufstellen konnten. Alles war hier extrem eng.“ Hinzu kamen im direkten Umfeld des Wassers natürlich sehr nasse und feuchte Baugrundverhältnisse, welche die Arbeiten zusätzlich erschwerten. „Am 14. Oktober 2021 hat ein Vororttermin mit dem Landeskonservator Thomas Drachenberg zur Begutachtung der durchgeführten Arbeiten stattgefunden. Die erledigten Arbeiten wurden dabei sehr positiv beurteilt und keine Beanstandungen geäußert“, freut sich Matthias Rindt. „Die Arbeiten konnten im Dezember 2021 erfolgreich abgeschlossen werden. Lediglich die Montage der Schornsteinbekrönung hat sich aufgrund der umfangreichen Abstimmungen der Haubengestaltung, sowie krankheitsbedingt aufgrund der Pandemie verzögert und musste auf das Frühjahr 2022 verschoben werden.“

Positives Fazit

Die Dachsanierung führte die ortsansässige Böhm Bedachung GmbH, Cottbus, aus. Insbesondere durch die Vermörtelung der Mansarddachfläche konnten die maroden Dachflächen mit den undichten Stellen beseitigt werden und eine Dichtigkeit gegen Flugschnee und Schlagregen erreicht werden. Durch die Neueinfassung der Schornsteine ließen sich die schadhaften Anschlüsse zur Dachhaut fachgerecht ausführen und regendicht herstellen. Zur Sicherung der Dachziegel gegen Sturmschäden wurden sie vollständig mit korrosionsbeständigen Edelstahlklammern befestigt. Mansarden, Grate, Firste wurden in Kalk verlegt. Da hier mit offener Deckunterlage gearbeitet wurde führte man eine Windsogberechnung durch, die eine Befestigung der Biber mit insgesamt 19.500 Sturmklammern und 14.000 Edelstahlschrauben ergab.

Stolze Zahl: 51 392 durchgefärbte Biberschwanzziegel im Segmentschnitt wurden aus einem Ziegelwerk in Guttau für diese Dachsanierung geliefert.

Stolze Zahl: 51 392 durchgefärbte Biberschwanzziegel im Segmentschnitt wurden aus einem Ziegelwerk in Guttau für diese Dachsanierung geliefert.

 „Die Dachsanierung leistet einen großen Beitrag zur Erhaltung des Schlosses mit seinen hochwertig sanierten Räumen. Durch die anspruchsvolle und behutsame umgesetzte Dekontaminierung konnte ein großer Teil der schadstoffbelasteten Stäube aus den Holzschutzmitteln entfernt und beseitigt werden“, erklärt Matthias Rindt „Der Dachraum ist jedoch weiterhin aufgrund der hohen Schadstoffbelastung und aus Gründen des Brandschutzes nicht für die Öffentlichkeit zugängig.“

 Mit dem Abschluss der Arbeiten konnte die volle Funktionalität des Schlossdaches unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Belange wiederhergestellt werden. „Das Dach ist aufgrund der prädestinierten Lage des Schlosses im Park von vielen Standpunkten weit sichtbar und für die Besucher des Parks und des Schlosses zu jeder Tageszeit gut erlebbar. Die Zusammenarbeit vor allem mit der Firma Böhm lief bei der Dachsanierung vorbildlich und reibungslos“, freut sich Architekt Matthias Rindt. Auch das Planungsbüro lobt die Zusammenarbeit: „Der Dachdeckermeister Silvio Böhm brachte sehr viel Fachwissen mit auf die Baustelle. Sein Team achtete penibel darauf, die Dachflächen immer wieder sorgsam provisorisch zu schließen, damit keine Feuchtigkeit in die darunterliegenden, bereits sanierten Räumlichkeiten gelangte“, zeigt sich der Architekt Klaas Fiedler vom gesamten Projektablauf begeistert.